Zusammen mit meinen Kolleginnen Emilia Fester und Saskia Weishaupt habe ich eine persönliche Erklärung zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87a) am 03. Juni 2022 zu Protokoll gegeben. Hier findet ihr die persönliche Erklärung:
Persönliche Erklärung zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87a) zu Protokoll am 03. Juni 2022
• Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen), MdB
• Denise Loop (Bündnis 90/Die Grünen, MdB
• Saskia Weishaupt (Bündnis 90/Die Grünen), MdB
Wir haben uns die Entscheidung für unsere Zustimmung zur Grundgesetzänderung im Artikel 87a am heutigen Tag nicht leicht gemacht. In dieser persönlichen Erklärung zu Protokoll möchten wir unseren Abwägungen Raum geben und unsere Entscheidung dem Gesetzesentwurf zum Sondervermögen zuzustimmen, der Transparenz halber erläutern. Es gäbe viele Gründe, gegen diese Änderung unserer Verfassung zu stimmen:
- Für das Vorhaben, die Bundeswehr in ihrem Etat mit etwa 20 Milliarden pro Haushaltsjahr im Laufe der Legislaturperiode mehr auszustatten, wäre keine Grundgesetzänderung nötig.
- Die angestrebte Reform des Beschaffungswesens ist bisher nicht erfolgt, weshalb zu vermuten ist, dass ein viel zu großer Teil des investierten Geldes versickert, wie es in den vergangenen Jahren passiert ist.
- Eine Verankerung der Cyber-Sicherheit ist im angestrebten Gesetzesentwurf nicht enthalten. Ebenso ist die Ausweitung des Sicherheitsbegriffs auf ohne Frage sicherheitsrelevante Aspekte unserer Infrastruktur wie Energiesouveränität, Katastrophenschutz, internationale Entwicklungszusammenarbeit und vieles mehr nicht erfolgt. Beide Punkte wären in unseren Augen erstrebenswerte Bestandteile eines Sondervermögens, dass unserer aller Sicherheit garantieren soll. Dass diese Punkte nun weder in der Änderung des Grundgesetzes noch im Einsetzungsbeschluss des Sondervermögens zu finden, ist ein herber Verlust.
Dennoch stimmen wir zu, da die Sicherheitsvoraussetzungen in ganz Europa sich seit der völkerrechtswidrigen Invasion Russlands in die demokratische Ukraine verändert haben. Die deutsche Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und solange wir daran festhalten, in Europa keine gemeinsame EU-Armee zu haben, ist es die Aufgabe von Parlamentarier*innen, diese insofern auszustatten, als dass sie arbeits- und im Ernstfall auch einsatzfähig ist. Nach näherer Betrachtung und vor dem Hintergrund der Abwägungen über die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine kommen wir zu dem Schluss, dass hierfür eine große Summe Geld von Nöten ist.
Diese jetzt singulär in unser Grundgesetz aufzunehmen, ist ein Ausweg aus der haushälterischen Engführung, die durch eine laufende Mittelvergabe dieses Umfangs entstünde.
Unter den Prämissen,
- dass innerhalb der nächsten Jahre 100 Milliarden investiert werden müssen (was wir sowohl politisch als auch gesellschaftlich als gegeben betrachten),
- dass unklar ist, ob und wann die Schuldenbremse erneut ausgesetzt oder reformiert wird,
- dass aktuell keine weiteren Steuern auf Vermögen und Erbschaften erhoben werden,
bleibt zur Aufrechterhaltung unserer vielen unterstützenswerten (!) Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag kein anderer Weg, als dem Vorschlag des Sondervermögens zuzustimmen.
Denn es ist uns wichtig zu betonen, dass den sicherheitspolitischen Auseinandersetzungen eben diese Projekte nicht zum Opfer fallen dürfen! Die Ampelkoalition hat sich sozial-, klima- und gesellschaftspolitisch viel vorgenommen und wir dürfen diese wichtigen Projekte auch im Angesicht eines fürchterlichen Angriffskrieges nicht aus den Augen verlieren. Unsere Regierung zerbricht nicht an der Auseinandersetzung mit der Bundeswehr; wir rücken zusammen, senden deutliche Signale an unsere internationalen Partner und werden wehrhafter.
Wir möchten hiermit auch zu Protokoll geben, dass dies eine Ausnahme bleiben muss. Die vielen wichtigen Projekte aus dem Koalitionsvertrag der Ampelkoalition müssen vollständig umgesetzt werden, eine soziale Entlastung in Zeiten der Inflation muss möglich sein, denn es muss klar sein, dass nicht nur für die Bundeswehr Kredite aufgenommen werden. Die Zukunftsaufgaben sind groß und sie wachsen mit jedem Tag.
Daher muss klar sein:
- Die Debatte rund um Steuererhebungen und/oder die Reform bzw. Aufhebung der Schuldenbremse ist erneut zu führen.
- Die 1:1 Regel zwischen Wehretat und Entwicklungszusammenarbeit/Diplomatie (siehe Koalitionsvertrag) darf nicht fallengelassen werden und wird weiterer Verhandlungen bedürfen.
- Wir erwarten die Umsetzung der verabredeten Cyber-Abwehr-Strategie.
- Die Reform des Beschaffungswesens muss zügig umgesetzt werden.
Als Fachpolitiker*innen fühlen wir uns persönlich jederzeit dafür verantwortlich, dass unsere großen und zahlreichen Vorhaben umgesetzt werden. Und wir werden die durch die Entlastung des Wehretats neu freigewordenen Spielräume auch dafür beanspruchen, und mehr! Denn dass im Ernstfall mehr da ist, wurde soeben bewiesen.