Die grüne Landesgruppe SH (zusammengesetzt aus allen grünen MdBs aus Schleswig-Holstein) hat anlässlich der Grundgesetzänderung am 03. Juni 2022 einen gemeinsamen Brief an alle Parteimitglieder verfasst. Hier der Brief:
Liebe Freundinnen und Freunde,
ein solch umfangreiches Investitionspaket für die Bundeswehr wäre zu Beginn der Legislaturperiode noch nicht denkbar gewesen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und daraus entstehende, neue sicherheitspolitische Herausforderungen waren es auch nicht.
Unsere heutige Zustimmung zum 100 Milliarden Sondervermögen ist aus unserer Sicht die richtige Entscheidung, die wir euch gerne erläutern würden. Mit ihm finanzieren wir eine gut ausgestattete Bundeswehr zum Schutz unserer Bürger*innen und Verbündeten außerhalb des Anwendungsbereichs der Schuldenbremse. So bleiben Spielräume im Bundeshaushalt für wichtige andere Projekte erhalten. Wichtig war eine gemeinsame verlässliche Entscheidung.
Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns schonungslos vor Augen geführt, dass die Deutsche Bundeswehr nicht in der Lage ist, ihrem Bündnis- und Verteidigungsauftrag nachzukommen. Zu lange wurden wichtige Reformen und notwendige Investitionen in die Instandsetzung versäumt.
Die neue Sicherheitslage erfordert, dass wir die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit nun stärken und jahrelange Versäumnisse beheben. Wir haben nicht nur gegenüber dem Staat, sondern vor allem auch gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten die Verantwortung, sie schnellstmöglich besser auszurüsten, damit sie ihrem Auftrag nachgehen und Sicherheit gewährleisten können. Die aktuelle mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr kann jedoch nicht nur durch mehr Geld gelöst werden, sondern benötigt vor allem eine Reform des Beschaffungswesens und klare Prioritäten. Deshalb bringt die Ampel jetzt die überfällige Reform des Beschaffungswesens auf den Weg.
Für uns Grüne bedeutet eine angemessene Antwort auf die Sicherheitslage nicht nur verstärkte Investitionen in die Bundeswehr, sondern auch mehr Mittel in den Bereichen Krisenprävention, humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Hier bestehen weitere offene Baustellen, die wir mit dem Sondervermögen nicht abdecken konnten. Mit dem aktuellen Haushalt bringen wir zusätzliche substanzielle Mittel für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit auf den Weg.
Derzeit sehen wir uns neuen sicherheitspolitischen Gefahren ausgesetzt, die mehr Investitionen auch im Bereich IT-Sicherheit und Zivilschutz dringend erforderlich machen. In den letzten Wochen haben wir massiv darum geworben, diese beiden zentralen Themen beim Sondervermögen zu berücksichtigen, konnten uns letztlich hiermit aber nicht durchsetzen, weil CDU und CSU bis zuletzt darauf bestanden, dass das Geld ausschließlich der Bundeswehr zu Gute kommt.
Für uns gilt weiterhin: Wir brauchen eine Sicherheitspolitik auf Höhe der Zeit. Wir brauchen dringend einen effektiven Schutz unserer digitalen Infrastrukturen und effektivere Strukturen zur Erkennung und Abwehr neuer, hybrider Bedrohungen. Zudem müssen IT-Sicherheit und Zivilschutz besser verzahnt und zukünftig gemeinsam gedacht werden. Im Zuge der nun anstehenden Haushaltsberatungen werden wir diese Themen weiter mit Hochdruck vorantreiben und die vielen guten Projekte, die wir hierzu im Koalitionsvertrag verankern konnten, priorisiert umsetzen.
Wir wollen die Finanzierung der Bundeswehr langfristig im Grundgesetz sichern. Nicht angelehnt an ein starres 2-Prozent-Ziel, sondern bedarfsgerecht orientiert am Zweck der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Wir haben im Errichtungsgesetz festgehalten, dass wir im Durchschnitt der nächsten 5 Jahre etwa 2 Prozent bereitstellen werden. Es ist sicherheitspolitisch ein enormer Fortschritt, dass wir das 2 Prozent Ziel strukturell ablösen und die Ausgaben an den Fähigkeitszielen der NATO ausrichten werden. Deutschland soll langfristig ein verlässlicher Bündnispartner bleiben.